KZW, 13.12.72
Delf Jacobs sang die Geschichte seines Lebens
Junger Nordenhamer produzierte Platte
Nordenham
(ek). Eine neue Langspielplatte - Delf Jacobs: meine Lieder - dreht sich seit
einigen Tagen auf bundesdeutschen Plattentellern. Delf Jacobs, gebürtiger Nordenhamer,
ehemaliger Schüler des hiesigen Gymnasiums, ein Typ der schon vor der Zeit der
"beatles" seine haare bis über die Ohren wachsen ließ, aus diesem Grunde die
ehrwürdige Nordenhamer Schule verlassen mußte - später mit kurzer Haartracht
jedoch wieder aufgenommen wurde - ist bei der Masse der jüngeren Generation
auf beiden Weserseiten heute noch ein Begriff. Wenn die damals beatbegeisterten
Delf Jacobs sagen, so meinen sie die "Just us", die Nordenhamer Band, die immer
für tolle Stimmung und ein ausverkauftes Haus garantierte.
Und mit den "Just us" hat eigentlich auch die musikalische Karriere des Nordenhamer
Jungen begonnen. Acht Jahre tingelte Delf mit seinen Mannen durch die Gegend
und versuchte durch sein talent das spärliche Taschengeld aufzubessern.. Doch
dann kam irgendwann der Zeitpunkt, so Delf, "wo mir dieses Leben einfach zum
Halse raus hing".Ich konnte es nicht mehr ab, jedes Wochenende in einema nderen
saal meine Gitarre auszupacken und rumzuklimpern." Kurz entschlossen packte
er seine "sieben sachen", das begonnene Psychologie-Studium wurde an den nagel
gehängt - die große weite Welt lockte.
In Spanien auf Ibiza meisterte er seinen lebensunterhalt als Schuster. Aus Hanf
lernte er Schuhe flechten und brachte sie an den mann. In London, als wiederum
sich die Finanzen dem Ende zuneigten, verdiente er sich seine Brötchen als Bäcker.
So wie Delf Jacobs seine Jobs wechselte, so wechselte er seine Aufenthaltsorte
auf dem westeuropäischen Festland.
In Deutschlands heimlicher Hauptstadt - München - wirkte er im Musical "Hair"
mit. In diesem Stück, das wie kaum eine andere Aufführung zuvor die Menschen
wie ein Magnet in das Theater zog, spielte der Nordenhamer - eine der tragenden
Rollen des Musicals - den Claude. Doch schon nach drei Monaten war für Delf
diese Sache "gegessen" - immer wieder die gleichen Texte, dieselbe Musik, die
Bühne, die man nach einem Vierteljahr wie seine Westentasche kennt und das namenlose
Publikum. Jeder Abend war wie der vorhergehende - die Abwechslung fehlte. Der
Münchener Vertrag wurde gekündigt: wieder stand Delf Jacobs an den Gleisen,
denen er auch sein erstes Lied auf der Langspielplatte gewidmet hat. Diesmal
führte ihn sein Weg nach langer Trennung wieder in heimatliche gefilde zurück.
Seit einiger Zeit wohnt der musikalische Jüngling - dem nicht ferner liegt als
einmal als Star a la "Rex Gildo" abgestempelt zu werden - in Rüstersiel bei
Wilhelmshaven. das Studium wurde wieder aufgenommen und soll jetzt bis zum Ende
durchgeführt werden.
Die Idee mit der eigenen Platte flatterte Delf Jacobs schon seit langer Zeit
im Kopf herum. Immer wurde er von dem Produzenten - Gerhard Augstein - auf eine
Plattenaufnahme angesprochen. Eines Tages war es dann soweit - der Musikus stand
wieder in Begleitung seiner Waldzither, die er einmal durch den Tausch einer
Hose erwarb, an den Gleisen, fuhr ins Rheinland und nahm in Köln besagte Langspielplatte
auf. Die Texte stammen sämtlich aus der Feder des Nordenhamers, das heißt, eigentlich
hat sein Leben sie geschrieben. Aus der Zeit, als er noch in Bremen als Friedhofsgärtner
jobte, stammt das "Abendlied eines Friedhofsgärtners":
Arbeit ist zu Ende und ich wasche mir die Friedhofserde von meine Hände - mache
mir ´n bißchen Abendbrot und dann setz ich mich vorn Fernsehen um mal zu gucken
was es heute abend gibt. Zuerst kommt Schweinchen Schalu mit der Tagesschau,
den kerl den kann ich nicht mehr sehn, deshalb schalte ich dann auf das anere
Programm und da is dann son anerer Mann, den sein Gesicht das find ich auch
gerade nich schön. Draußen regnets ane Scheiben, da kann man nur zu Hause bleiben,
ach ich hab ja noch ein paar Buddeln Bier. Die werd ich mir jetzt holen und
dann besauf ich mich recht schön und stell den Wecker auf halb vier. Um halb
fünf muß ich wieder aufe Arbeit sein, da geht das Ganze wieder los, da sind
meine Augen noch ganz klein und meine Müdigkeit ist dann noch ganz grooß. Hoffentlich
is morgen besseres Wetter als wie gestern und hoffentlich gibt es morgen im
Fernsehen einen Western.
So wie in diesem Lied, schwingt auch in allen anderen Songs eine Erinnerung
an die gute alte zeit des Sängers mit. Ein Lied widmete er seinen Stiefeln,
die er igrendwann einmal in hamburg aufgetrieben hat und die ihm während seines
ganzen Tramps treu die Stand gehalten haben.
Es ist nur zu hoffen, daß diese Platte für Delf den gewünschten Erfolg bringt,
von dem Erlös will er sich eine neue Gitarre zulegen. Doch bis es soweit ist,
müssen schon eine ganze Menge der schwarzen Scheiben einen Käufer finden, denn
ganze 1,26 Mark erhält der Nordenhamer für eine verkaufte Platte und die Auslagen
waren hoch - sehr hoch sogar.
Hermann Kothe