NZ,xx.10.66

Justus singt Soldatenlieder
Zwei Bandmitglieder eingezogen - Fernsehaufnahmen
Die Flasche Delf Jacobs hockte auf dem Deich und pustete in seine Trompete. Zu Hause halte man ihn an die frische Luft gesetzt, weil das Familienheim noch länger stehen sollte. Der Sohn blies außerdem etwas aus der Reihe. Seine Geschwister spielten im Schulorchester, er in der Beatband „The Bottles". Eingeweihte wissen, daß sich aus den Nordenhamer .Flaschen" eines Tages die „Macbeats" und daraus wiederum die „Just us" entwickelten. Inzwischen bedient Delf die Rhythmusgitarre und hat es nicht mehr nötig, draußen vor der Tür zu üben. Trotzdem muß er jetzt wieder im Freien auftreten: Als Sänger bei der Luitwaffe in Hamburg. In Stade weiß er einen Leidensgenossen: Stephan Remmler läuft vorerst hinter Panzern her. Ist damit das Ende der „Just us" gekommen, bevor ihr Höhepunkt, ein Auftritt im Fernsehen, erreicht ist?
Die „Just us" wollen sich von dem harten Schlag nicht entmutigen lassen. „Natürlich können wir nicht mehr an jedem Wochenende auftreten. Aber bei Beatfestivalen und, ähnlichen Veranstaltungen möchten wir gerne Einlagen geben; dafür reicht die Zeit." Auch die Aufnahmen beim Beatclub von Radio Bremen sollen wegen des Bundeswehr-Abstechers nicht ausfallen. Michael Leckebusch hat einen Termin für Silvester vorgesehen.
Erste Studioerfahrungen hatte die Band erst vor kurzem bei Radio Bremen sammeln können. Im Rundfunkprogramm wurden drei Aufnahmen und ein kurzes Interview gesendet (16.9.66). Einen weiteren Titel brachte der Sender kurz darauf. »Der letzte hat uns am besten gefallen", meint Stephan Remmler. „Bei den ersten Aufnahmen waren wir etwas enttäuscht, denn es waren nur Versuche, die nicht ausgestrahlt werden sollten."
Ein Versuch war es eigentlich auch nur gewesen, als sich der Bremerhavener Stephan den Nordenhamer „Bottles" unter Delf Jacobs anschloß. Er hatte zunächst keine große Lust, denn zu Anfang machten die „Flaschen" ihrem Namen alle Ehre. Nach einem Sängerwettstreit tat er sich mit den Nordenhamern zusammen, die unter dem neuen Namen „Macbeats" auch bessere Qualität boten. Die Band rückte zum Lokalmatador auf. In Bremerhaven, Nordenham, Brake, überall hörte man sie in überfüllten Sälen. Die Engagements reichen sogar bis Hamburg und Bielefeld.
Doch den „Macbeats" behagte es schließllich nicht mehr, die Hitliste 'rauf und 'runter zu klimpern. Neue Leute kamen. Ein anderer Name. „Just us" (im Volksmund Justus), drückte die Stiländerung auch nach außen aus. Stephan: „Wir haben uns vom Beat losgesagt und dem Soul a la James Brown zugewandt. Das hat uns natürlich eine ganze Menge Fans gekostet, aber uns macht es mehr Spaß."
So leicht ist den fünf Amateuren die Entscheidung nicht gefallen. Sie haben ernsthaft überlegt, ob sie im alten Trott weitermachen sollten. Im Sommer hatten sie sich zu dem Entschluß durchgerungen: So geht es nicht weiter, wir trennen uns. Aber nach einer Woche kamen sie reumütig wieder zusammen, weil ihnen etwas fehlte: die Musik. Sie hoffen alle, daß die Bundeswehr keinen Punkt hinter ihren Erfolg setzt, sondern nur einen Gedankenstrich. Fünf Steckbriefe:
• Die Sologitarre hat Gert Krawinkel, bandintern Kralle oder auch Dracula geschimpft, vor dem Bauch hängen. Der 19 Jahre alte Gymnasiast aus Cuxhaven stieß erst im letzten November zu den „Just us". Vorher hatte er sich bei anderen Bands durchgeschlagen.
• Wenn Sie einen schwarzgelockten Jüngling in einer blau-grün karierten Jacke sehen, können Sie wetten, daß es Peter Gloystein, 19, aus Brake ist. Wahrscheinlich geht er mit dem Ding auch schlafen, genau weiß man das nidit. Die Penne mag er so gern, daß er schon morgens um fünf Uhr aufsteht, um rechtzeitig das Bremerhavener Wirtschaftsgymnasium zu beehren. Er mußte zum Baß greifen, weil der ja schließlich dazugehört.
• Horst „Tuly" Bultmann, 19, kann sich kaum entsinnen, daß er jemals etwas anderes getan hat als drummen. Sein Vater eröffnete ihm eines Tages, ihm fehle ein Schlagzeuger in seiner Kapelle. Der Sohn mußte sich fügen, obwohl er „gar keine Begabung" hat, wie seine Freunde scheinheilig versichern. Nachdem die Schule ihn von weiterer Mitarbeit befreite, wirkt er als Chemiepraktikant. Berufsziel: Ingenieur.
• Abiturient Delf Jacobs, 19, ist der Klassiker der Band. Er liebt Bachkantaten, Choräle und Barockmusik fast noch inniger als Folksongs und Rhythm and Blues. Um sich beim Komponieren von Volksliedern inspirieren zu lassen, hat er sein Zimmer in unschuldiges Weiß gekleidet. Während seiner „schwarzen Periode" zog er es vor, in einem sargähnlichen Behälter zu nächtigen. Weil er seinen Haaren freien Lauf ließ, riet man ihm einst, sich von der Schule zu verabschieden. Er arbeitete am Schuppen 13. Dann kehrte er zurück: mit kurzen Haaren.
• Stephan Remmler, 20, ist in Zweifelsfallen der Boß. In der Praxis sieht das so aus, daß er die Verantwortung trägt und seine Leute die Verstärkerboxen. Seine Rockerzeit machte er bei Seebeck am Markt durch. In Sängerwettstreiten holte er sich dreimal den ersten, einmal den zweiten Preis. Danach erhielt er Singverbot. Er ist der einzige aus der Gruppe, der später beruflich ins Schaugeschäft einsteigen möchte. Alten Klassenkameraden ist der Abiturient als Freund stillen Humors bekannt. Gelegentlich betrat er ein Klassenzimmer und teilte den verdutzten Insassen mit: „Ich heiße Stephan Remmler, ihr könnt mich auch schlicht Meister nennen." bert