KZW, 6.3.06
Nach der Show ein Freudenschrei
Die Metamorphose des Wolfgang Röße: Green Lavender begeistern bei
Konzert in der Jahnhalle nicht nur Marillion-Fans
Von Detlef Glückselig
Traurig blickt der Narr von der Leinwand auf die Bühne herab. Eigentlich
soll er ein Spaßvogel sein. Doch hinter seiner Maske ist er eine geschundene
Kreatur. Versoffen, verlassen, fertig. Nichts als ein schlechter Witz. So
here I am once more in the playground of the broken hearts. Der Mann im
Spiegel, er hat traurige Augen.
Der Narr zierte alle Cover der frühen Platten von Marillion. Ein bisschen,
und das ist fast beängstigend, nahm er zugleich den Werdegang von Marillion-Sänger
Fish vorweg. Als der begann, sein Glück auf dem Boden eines Whisky-Glases
zu suchen, war der Abstieg vorprogrammiert, bekam auch er traurige Augen. Doch
davor, da war Fish einer der großartigsten Sänger, die der Rock-Zirkus
je erlebt hatte. Und er war ein Meister der ganz großen Gesten. Am Sonnabend
stand dieser Meister in der Jahnhalle auf der Bühne in Gestalt von
Wolfgang Röße.Besser gehts nichtIm richtigen Leben ist Wolfgang
Röße als technischer Zeichner bei Kronos Titan beschäftigt.
In seiner Freizeit gibt er den Frontmann der Nordenham Marillion-Coverband Green
Lavender. Die spielte am Wochenende in der Jahnhalle. Und machte ihre Sache
derart perfekt, dass es alten Marillion-Fans eine Gänsehaut nach der nächsten
über den Rücken jagte. Geht es besser? Klares Nein.
Knapp ein Jahr ist es her, dass Green Lavender in Charlys Kneipe in der Fußgängerzone
ihr Debüt gaben. Damals wusste die Band selbst noch nicht so ganz genau,
wo es eigentlich hingehen sollte, spielte Titel von Manfred Manns Earthband,
von Pink Floyd und Peter Gabriel. Vertreten auf der Setlist war aber auch schon
bei der Premiere von Green Lavender das kompletten Marillion-Album Misplaced
Childhood. Und als das heil über die Bühne gegangen war, muss
es wohl irgendwie geklickt haben. Green Lavender beschlossen, fortan als reine
Marillion-Coverband weiterzumachen.Zum Glück für alle Musik-Fans,
wie sich am Sonnabend herausstellte. Green Lavender haben einen gewaltigen Schritt
nach vorne gemacht. Das gilt vor allem für Wolfgang Röße, der
das gesamte zurückliegende Jahr damit verbracht haben muss, sich alte Marilion-Videos
reinzuziehen. Das Ergebnis ist eine Metamorphose, die sich vollzieht, sobald
der Nordenhamer die Bühne betritt. Dann ist Wolfgang Röße Fish.
Von den Kostümen über die Maske bis hin zur Gestik und den theatralischen
Einlagen ist die Kopie so verblüffend perfekt, dass man meint, einen Zwillingsbruder
von Fish vor sich stehen zu haben. Und wer bisher dachte, die Stimme des früheren
Marillion-Frontmanns sei einmalig, der hat Wolfgang Röße noch nicht
gehört.
Unglaublich
.Beim Rest der Band stimmt bis in die allerletzte Note ebenfalls alles. Andreas
Plump, ohne Frage einer der besten Gitarristen weit und breit, spielt brillante
Soli. Stefan Scatulla ist für die tiefen Töne zuständig und zupft
den Bass genau so, wie man ihn zupfen sollte: präzise, druckvoll und gelassen.
Andreas Frey meistert am Schlagzeug selbst die kompliziertesten Breaks. Andreas
Damröse setzt an den Keyboards mit den denkbar authentischsten Sounds die
weiteren Akzente.Chelsea Monday, He knows you know,
Jigsaw, Script for a Jesters Tear, Cinderella Search
das Programm ist exzellent zusammengestellt und lässt keine Wünsche
offen. Als alles vorbei, der letzte Ton von Garden Party verklungen
ist und ein begeistertes 250-köpfiges Publikum den Heimweg antritt, blickt
der Narr noch immer traurig von der Leinwand. Im Backstageraum fällt von
seinem Gegenstück aus Fleisch und Blut derweil die Anspannung der letzten
Stunden ab. Wolfgang Röße stößt einen lauten Freudenschrei
aus. Den hat er sich redlich verdient.