KZW, 12.9.2002
Bisamratten, Flaschen und eine Beat-Mama
von Jürgen Lange
Daß in Nordenham eine lebendige Musikszene existiert, davon konnten sich die
Zuhörer wieder einmal bei der Benefizveranstaltung am Sonntag in der Jahnhalle
überzeugen. Das war hier vor rund 40 Jahren nicht anders. In den 60er Jahren
tummelten sich hier Musiker, die zum Teil später große Karriere machten. Die
Geburtsstunde der Beat- und Rockmusik schlug 1962 ausgerechnt in der Martin-Luther-Kirche.
Dort absolvierte die River Muskrat Skiffle Group ihren ersten Auftritt - mit
Gospels. Mit von der Partie waren Volker Thieme, Walter Adomeit und Norbert
Möckel, den man wohl als einen der Urahnen der Rockmusik bezeichnen kann. Die
Skiffle-Musik schwappte damals aus Amerika nach Europa herüber. Sie stellte
so etwas wie „Jazz für Arme“ dar. Gespielt wurde auf akustischen Gitarren, einem
Teekisten-Baß und auf dem unvermeidlichen Waschbrett. Auch Delf Jacobs, Sproß
einer überaus musikalischen Familie mit weiteren neun Geschwistern, stieß später
zu den Muskrats (Bisamratten).
Die Skiffle-Formation erreichte einen hohen Bekanntsheitsgrad, gewann mehrmals
Bandwettbewerbe - die sogenannten Jamborees - gegen starke Konkurrenz in der
Bremer Glocke und anderswo. Delf Jacobs brachte von einer Englandreise die ersten
Beatles-Platten mit und gründete mit Horst Bultmann, Ernst Petersen und Mecki
Schulze Ende 1963 die „Bottles“, was nicht rein zufällig so ähnlich wie „Beatles“
klang. „Die gröhlenden Pilzköppe aus England“ - so wurden die Liverpooler in
jenen Tagen in der Presse umschrieben - bildeten das Vorbild der aufstrebenden
Nordenhamer Band. Erste Auftritte wurden in der Nordenhamer Strandhalle absolviert.
Das Publikum war begeistert von den neuen Lokalmatadoren, kamen die Bands für
die ersten Jugendveranstaltungen bisher aus Hamburg, Bremen und Hannover.
Bandwettbewerbe waren damals überaus beliebt, bei einem in Bremerhaven konnte
Stephan Remmler zur Mitarbeit bewegt werden. Der war bereits eine bekannte Größe
in Bremerhaven. So hatte er bereits mehrmals Sängerwettbewerbe im Twistschuppen
Seebeck gewonnen. Irgendwie scheint es den Jungens nicht mehr behagt zu haben,
als „Flaschen“ auf der Bühne stehen. „Macbeats“ lautete nun der Name. Sie spielten
regelmäßig bei Ammen in Blexen am Sonntagnachmittag auf. Abendveranstaltungen
waren wegen der Jugendschutzgesetze tabu.
Die Macbeats wurden auch über die Grenzen Nordenhams hinaus bekannt und hatten
bis nach Hamburg und nach Bielefeld Auftritte. Es gab Umbesetzungen. Im November
1965 stieß Gert „Kralle“ Krawinkel aus Cuxhaven hinzu. Bald darauf änderte sich
die Musikrichtung vom Beat zum Soul - auch ein neuer Name war fällig: „Just
us“. Die Besetzung aus Delf Jacobs, Horst Bultmann, Peter Gloystein, Stephan
Remmler und Kralle Krawinkel blieb dann eine ganze Weile erhalten. Die Band
wurde im gesamten norddeutschen Raum bekannt und ihre Musik wurde im September
66 auch bei Radio Bremen vorgestellt. Für das Jahresende war dann auch ein Beat-Club-Auftritt
vorgesehen.
Daraus wurde zwar nichts, 1968 bekam die Gruppe aber auf andere Art ihre höheren
Weihen, sie war zwei mal für mehrere Tage im Hamburger Star-Club engagiert.
Der gute Geist der aufstrebenden Musikanten war Irmgard Jacobs - die „Beat-Mama“,
so Delf Jacobs. Sie pflegte nicht nur ein offenes Haus und versäumte kaum ein
Konzert, sondern sammelte auch eifrig Zeitungartikel und Bilder in Alben.
Blättert man in den Alben, so kann man unter anderem Gerd Augustin im Garten
der Jacobs entdecken. Der war der erste Moderator des Beat-Clubs. Der Förderer
der Musikszene im Bremer Raum wollte Delf Jacobs dazu überreden, die erste deutsche
Rockoper als Antwort auf Tommy von The Who zu komponieren. Das war 1972. Heraus
kam bei diesem Projekt eine Platte „Meine Lieder“. Die wurde in einem Kölner
Studio mit heißer Nadel gestrickt. „Einen Tag habe ich damit zugebracht, den
Mitmusikern die Harmoniefolgen zu erklären“, so Delf Jacobs. Nach zwei weiteren
Tagen waren die Aufnahmen fertig. Just us war zu diesem Zeitpunkt bereits zwei
Jahre aufgelöst.
Für Delf folgte auf Just us ein Engagement als Claude bei „Hair“ in München.
Eine Platte mit der Hamburger Musikkommune namens „Mils Zaff“ und weitere Projekte
wurden realisiert. 1979 kam es dann schließlich zu einem einmaligen Reunion-Konzert
der Just us in der Stadthalle Bremerhaven. Dort standen erstmals wieder Kralle
Krawinkel und Stephan Remmler gemeinsam auf der Bühne. Kurze Zeit später wurde
Trio gegründet. Mit von der Partie waren 1979 auch der langjährige Just us-Drummer
George B. Miller sowie George Meier, der am Bass Micky Kaiser vertrat. Die beiden
waren unlängst beim Stadtfest als Hagen Allstars zu bewundern.